Selbstbildnis als Soldat
Regie: Frank Soehnle
Spiel: Sascha Bufe, Iris Keller, Hanna Malhas, Coline Petit, Eike Schmidt
Technik: Marius Alsleben/Anika Herzberg
Dauer: 60 Minuten
Ohne gesprochene Sprache. Mit deutschen und französischen Liedern.
Fünf Marionetten und fünf Zeitzeugen entwickeln eine expressionistische Collage. Malend, tanzend, rauchend, mit Glasmusik und Pinselstrich tauchen die Charaktere aus dem Delirium auf.
1915 malte Ernst Ludwig Kirchner sein „Selbstbildnis als Soldat“. Der Expressionist hatte im Ersten Weltkrieg einen nervlichen Zusammenbruch erlitten und wurde vom Militärdienst entlassen. Wie viele seiner Zeitgenossen kehrte Kirchner mit seinem rauschhaften expressionistischen Werk sein verzweifeltes Innenleben nach außen. 100 Jahre später erlaubt ein Figurentheaterstück, inspiriert von diesem Gemälde, einen intensiven sinnlichen Zugang zu einer Zeit, in der ganze Welt aus den Fugen geriet.
Fünf Marionetten – fünf Schauspieler*innen – fünf Schicksale. Das Stück lässt einen tief in Musik, Kunst und Objekte aus dem frühen 20. Jahrhundert eintauchen und macht damit den expressionistischen Zeitgeist erfahrbar. Kubismus und Dadaismus, Friedrich Hollaender und Igor Strawinsky. Ein Tanz über den Schützengraben. Blandine Ebingers unvergleichliche Stimme schallt zuverlässig aus den Boxen: „Ein Schuss 10 Pfennig. Drei Schuss 25 Pfennig. Na, wer will nochmal? Na, wer schießt nochmal?“
Die hölzernen Marionetten der Kompanie 1/10 sind expressionistische Kunstwerke. Sie bilden mit den SchauspielerInnen ein gleichberechtigtes Ensemble, welches
sich spielerisch den Objekten des Krieges nähert: Gestalten mit Gasmasken legen einen berauschenden Tanz hin, eine Marionette probiert Lederstiefel an, kopflose Wesen in Uniformen machen sich
für ein Porträt bereit, Gläser werden zu Musikinstrumenten. Eine Hand macht sich selbstständig.
„Morphium und Holz“ ist eine Herausforderung für den Zuschauer, aber eine die sich lohnt. Es macht den Krieg und dessen beklemmende Atmosphäre ebenso greifbar, wie das Einzelschicksal des Malers Kirchner, der von der Verzweiflung in die Morphinsucht getrieben wurde. Damit hält dieses Figurentheater auf eine eigenwillige und faszinierende Weise die Erinnerung an ein sehr dunkles Kapitel der Menschheitsgeschichte und dessen Kunst aufrecht. Es wird deutlich: Kunst war und ist auch immer der Versuch, den Wahnsinn der Welt zu ertragen.